Harninkontinenz – ein Problem und ihre Lösungen

Unter Harninkontinenz versteht man einen unkontrollierbaren Harnabgang.Er kann tagsüber oder nachts vorkommen. Dieser wird von Patientinnen als belastend empfunden, denn ihr soziales Leben wird dadurch beeinträchtigt. Sie tritt sowohl bei Männern, wie auch bei Frauen auf, und aus unterschiedlichen Gründen in jedem Lebensalter. Ältere Frauen sind doppelt so häufig betroffen, als ältere Männer.In gewisser Form ist die Harninkontinenz ein typisches Frauenleiden.

Die sogenannte Belastungsinkontinenz tritt bei vielen jüngeren Frauen nach Geburten auf. Durch Schwangerschaft und Geburt wird der Beckenboden geschwächt. Dies führt häufig zu unwillkürlichen Urinverlust bei körperlicher Anstrengung oder Anspannung, wie z.B. beim husten, niesen, lachen, sowie bei körperlichen Belastungen, wie z.B. treppensteigen  oder springen. Die Harninkontinenz bei der Frau bleibt in gewissem Masse ein ver-schwiegenes Problem. Acht von zehn Frauen, die unter den verschiedenen Formen und Ausprägung der Harninkontinenz leiden, leiden an dieser sogenannten Belastungsinkontinenz. Dieses Problem bleibt teilweise verschwiegen, denn manche Frauen sehen diese Art von Inkontinenz als ein normales „ Altersproblem“ an, womit man sich abfinden muss.

Harninkontinenz ist jedoch eine Erkrankung mit der man sich auseinandersetzen sollte und die behandelt werden kann. Viele Frauen versuchen sich jedoch über Jahre hinweg mit Einlagen und anderen Hilfsmitteln zu behelfen, bevor sie einen Arzt aufsuchen.

Es gibt verschiedene Formen von Harninkontinenz. Die wichtigsten davon sind die Belastungsinkontinenz (unwillkürlicher Harnabgang beim husten, niesen oder lachen) und die Dranginkontinenz (aussergwöhnlich häufiger Harndrang mit Urinverlust). Diese Form kommt häufiger bei Männern im hohen Alter vor. Ausserdem gibt es Mischformen aus Belastungs- und Dranginkontinenz. Da die verschiedenen Formen zum Teil auch unterschiedlich behandelt werden müssen, muss der Arzt eine genaue Diagnose stellen.

Entscheidend für die Entstehung einer Belastungsinkontinenz sind die Druck- und Spannungsverhältnisse im Unterleib.  Bei einer Druckerhöhung im Bauchraum, durch lachen oder husten verursacht, kann der Blasenschliessmuskel dann  nicht mehr wiederstehen und somit kommt es zum Urinabgang.

Ursachen einer solchen Harninkontinenz sind Schwäche des Blasenschliessmuskels, das Fehlen von weiblichen Geschlechtshormonen nach den Wechseljahren, denn dadurch verliert das Gewebe der Harnröhre und des Beckenbodens an Spannkraft.  Schwäche der Beckenbodenmuskulatur durch Folge von Geburten und Operationen, sowie angeborene Bindegewebsschwäche, wodurch die genannten Veränderungen besonders begünstigt werden.

Die zweithäufigste Form von Harninkontinenz ist die Drankinkontinenz, die eigentlich der schwerste Grad einer Reizblase ist. Die Dranginkontinenz ist durch sehr starken Harndrang bei geringer Füllung der Harnblase mit anschliessendem unwillkürlichem Harnabgang charakterisiert. Dieser Drang ist so stark, dass es die Betroffenen oftmals nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen. Dahinter steckt in den meissten Fällen eine Überaktivität des Blasenmuskels. Männer sind doppelt so oft von einer Drangsymptomatik betroffen. Eine Dranginkontinenz tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Die Betroffenen müssen zwar oft Wasser lassen, können dabei aber nicht die Blase richtig entleeren. Das Wasser lassen kann brennen und Schmerzen im Unterleib sind ebenfalls nicht selten. Unter den möglichen Ursachen befinden sich Harnwegsinfekte, Blasentumore und häufig auch eine psychosomatisch hervorgerufene Blasenüberaktivität.

Der Frauenarzt diagnostiziert die Art der Harninkontinenz indem er ein sogenanntes Miktionsprotokoll anlegt, d.h. der Patient führt ein Tagebuch, in das er einträgt wieviel er täglich trinkt, wie oft er zur Toilette gehen muss und wie häufig es zu ungewolltem Urinverlust kommt. Eine gynäkologische Untersuchung ist dabei auch sehr wichtig um die Anatomischen Verhältnisse im Beckenboden darzustellen. Die gyn. Untersuchung, sowie eine Ultraschalluntersuchung sind zusätzliche Methoden zur Diagnose. Wenn der Arzt ber noch keine sichere Entscheidung treffen kann werden Spezialuntersuchungen, sogenannte Funktionsmessungen, die den Blasendruck während des Urinierens messen, durchgeführt.

Je nachdem unter welcher Art von Inkontinenz die Patientin leidet, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Ein wichtiger Schritt bei der Belastungsinkontinenz ist das Beckenbodentraining, das jede Frau selbst durchführen kann. Da der Beckenboden bei Frauen anatomisch anders aufgebaut ist als beim Mann muss hier ein geschlechter spezfisches Training erfolgen. Es sollte mit Hilfe eines Psychotherapeuten erlernt werden.Diese konservative Behandlung der Hanrinkontinenz kann auch mit dem Bio-Feedback-Training und einer Elektrostimulation kombiniert werden, um hier möglichst effektive Ergebnisse zu erzielen. Beim Bio-Feedback-Training wird dem Patienten durch Sonden die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur und insbesondere des äusseren Schliessmuskels der Harnröhre während des Beckenbodentrainigs akustisch oder optisch angezeigt.

Diese Bio-Feedback-Methode sollte zwei- bis dreimal täglich für einige Minuten durchgeführt werden, denn dabei kommt es zu einer spürbaren Stärkung  des Schliessmuskels. Bei der Elektrostimulation werden über Elektroden elektrische Impulse übertragen. Damit wird erreicht, dass sich die Beckenbodenmuskulatur zusammenzieht, dadurch wird die Kontraktionsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur und des Blasenschliessmuskels verstärkt. Übergangsweise können Frauen ein Inkontinenzpessar zur Behandlung einer Stressinkontinenz benutzen, dieser wird in die Scheide eingelegt. Pessare sind in ver- schiedenen Formen als Ringe, Kugeln oder Würfel erhältlich. Sie sollten jedoch nur als Übergangslösung angewendet werden. Eine Gebärmutter- oder Harnblasensenkung sollte langfristig in jedem Fall operativ behandelt werden. Negative Auswirkungen eines Pessars können Ausfluss, Druckstellen und Entzündungen in der Scheide sein. Bei Frauen können auch Medikamente, wie weibliche Geschlechtshormone (Östrogene), die Harninkontinenz lindern, denn der Mangel an Östrogen führt dazu, dass die Schleimhäute der unteren Harn-wege empfindlich auf Urin reagieren, was wiederum einen verstärkten Harndrang auslösen kann. Es werden auch andere Substanzen eingesetzt, die auf den Schliessmechanismus der Blase wirken können, die aber wiederum erhebliche Nebenwirkungen haben, so dass diese kaum für längere Zeiträume geeignet sind.

Wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten keinen Erfolg haben, bleibt nur noch operative Behandlung. Die Wahl der Operationsmethode richtet sich dabei nach der individuellen Indikation.

 Ziel der Operation ist die Wiederherstellung der zum Urin halten not-wendigen Beziehungen zwischen Blase und Harnröhre. Während früher invasive Eingriffe unter Verwendung von körpereigenem Material notwendig war, haben sich heute neu entwickelte körperfreundliche Kunststoffmaterialien bewährt, die es zulassen minimalinvasiv, bei vollem Bewusstsein des Patienten/der Patientin zu operieren, um das das Kontinenz-ergebnis direkt während des Eingriffs zu kontrollieren und ggfs. auch gleich zu korrigieren.

Folgende innovative Methoden stehen heute zur Verfügung:

Eine Bauchoperation (abdominale Kolposuspension nach Burch). Bei diesem Eingriff handelt es sich nicht um eine mininale Operationsart, sondern die Scheide wird durch den Bauchraum im Bereich des Blasenhalses angehoben. Diese Methode kann auch durch eine Bauchspiegelung (laparoskopische Kolposuspension) durchgeführt werden. Dies verkürzt den postoperativen Verlauf , sowie den stationären Aufenthalt. Andere Eingriffe kommen in Betracht, die von der Scheide aus durchgeführt werden. Dabei ist die minimal-invasive TVT-Plastik nach Ulmsten (TVT= tensionfree-vaginal-tape) eine der erfolgreichsten Operationstechniken. Dieses Verfahren wurde sowohl bei klinisch schwerer, als auch bei  leichter Stressharninkontinenz nach Absetzung und Versagen der konservativen Behandlungsmethoden  durchgeführt.Diese Methode, die  mehrjährig bewährt und standardisiert ist, ist nochmals zur Vereinfach-ung des chirurgischen Eingriffes, modifiziert worden. Dieser Eingriff wird in analgo-sedierter Lokalanästhesie durchgeführt und mindestens 90% der Frauen können innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem operativen Eingriff spontan miktionieren.

Diese neue T.O.T. (trans-opturatora-tape) beruht auf dem Positionieren eines Kunststoff-bändchens um die Harnröhre herum. Es bildet sich eine sogenannte Hängematte um diese Harnröhre, die die Aktion des Blasenschliessmuskels verstärkt und damit die Kontinenz begünstigt. Der Vorteil dieser Methode ist primär, dass es weniger Komplikationen oder Risiken im Vergleich mit der TVT-Methode gibt.

Was können Sie selbst tun, um der Inkontinenz vorzubeugen?

Sie sollten auf jeden Fall Faktoren, die zur Entstehung dieser Problematik führen, vermeiden. Hierzu zählen

– Gewichtsreduzierung bei starkem Übergewicht

– Behandlung einer chronischen Verstopfung

– Behandlung einer chronischen Bronchitis.

Wie schon erwähnt, ist auch eine Krankengymnastik hilfreich, die jedoch zumindest anfangs zusammen mit einer Therapeutin durchgeführt werden sollte. Bei leichten Formen der Inkontinenz kann man mit den o.g. konservativen Massnahmen in bis zu 80% der Fälle eine Besserung oder Heilung herbeiführen. Bei den operativen Eingriffen liegt die Erfolgsrate heutzutage mit der T.O.T.-Methode bei 60-80%. Mit einer erneuten Verschlechterung der Blasenverschlussfunktion muss hier aber oftmals nach einigen Jahren gerechnet werden, wenn die Ursachen wie starkes Übergewicht, chronisches Husten oder Verstopfung, nicht beseitigt werden.